Bevor ich meinen Artikel über den Clinch von OM Digitalsolutions mit dem Blog Pen and Tell beginne ein Disclaimer vorab. Ich habe bis 2022 13 Jahre für Olympus / OM Digitalsolutions gearbeitet. Dennoch habe ich keinerlei Insights über die Geschehnisse und teile her meine eigene persönliche Meinung.
Zum Thema. Reinhard Wagner, der den Blog Pen and Tell betreibt ist nach seiner Ansicht nach einer riesigen Schweinerei auf der Spur und will entdeckt haben, dass das M.Zuiko Digital ED 150-400mm F4.5 nach dem Umzug der Produktionsstätte von Japan nach Vietnam um designed wurde. Dadurch soll sich die Qualität des Objektives verschlechtert haben. Außerdem soll das Gehäuse von Magnesium auf Kunstoff umgestellt worden sein. Grund ist wirtschaftlich, durch die neuen Komponenten soll OM Digitalsolutions eine bessere Marge beim Objektiv erzielen können. Der Kunde wurde davon nicht unterrichtet.
OM Digital Solutions hat sich darauf in gezwungen gefühlt eine Stellungnahme auf dem Haus eigenen Forum zu veröffentlichen. Die ihr hier nachlesen könnt. Kurz zusammengefasst heißt es darin, dass das Objektiv in Vietnam zu denselben Qualitätsstandards gefertigt wird wie in Japan. Die Funktionalität und Qualität unterscheiden sich nicht. Reinhard Wagner hat keinerlei Insiderinformationen.
Meine Sicht der Dinge
Zunächst einmal finde ich es bemerkenswert wie viel Energie von Reinhard Wagner in die Recherchen gesteckt werden und wie beharrlich er seinen Standpunkt vertritt. Nachvollziehbar wenn ich soviel Zeit und Energie in etwas stecken würde wäre ich wahrscheinlich genauso. Auch erstaunlich ist, dass OM Digitalsolutions überhaupt auf die Aussagen reagiert und ein Statement veröffentlicht. Es zeigt wieviel Unruhe durch den Bericht entstanden ist. Ich persönlich denke aber dass Reinhard auf einem Holzweg ist. Ich denke nicht, dass beim Wechsel des Produktionsstandortes das Objektiv um designed wurde. Dies hat mehrere Gründe.
1. Linsenelemente
Nach der Aussage von Reinhard wurden in der Vietnamvariante anderer schwerere Linsen im Objektiv verwendet. Dadurch hat sich die Bildqualität verschlechtert. Nicht mehr Sigma liefert die Linsen sondern ein anderer Hersteller. Die Erfahrung die ich in 20 Jahren Produktmanagement gemacht habe sagt mir, dass dies ein höchst unwahrscheinliches Szenario. Ein optisches Design ist eine sehr diffizile Sache, nicht nur die Linsenarten sondern auch die Glasart und der Brechnungsindex spielen eine große Rolle. Es gibt eigentlich nur zwei Glashersteller Hoya und Schott. Diesen nach dem fertigstellen eines optischen Designs zu wechseln ist sicherlich nicht unmöglich aber doch eine schwierige Sache. Es mag sein, dass Sigma (wenn die Linsen der ersten Varainten überhaupt von Sigma gekommen waren) die geschliffenen Linsen nicht mehr an OM Digitalsolutions liefert aber Linsen nach vorgaben präzise zu schleifen können sicherlich einige Firmen auf dieser Welt.
Selbst wenn wir mal annehmen, dass neue Linsen und Gläser eingesetzt werden, wäre das nicht ohne eine aufwändige Umkonstruierung des Objektives möglich gewesen.
2. Kunststoffgehäuse
Die zweite Änderung laut Reinhard Wagner ist, dass das Gehäuse von Magnesium auf Kunstoff umgestellt wurde. Dabei wurde von damals noch Olympus stets kommuniziert, dass das Gehäuse aus carbon verstärkten Kunststoff und Aluminium gefertigt wurde. Das hatte ich auch in meinem Artikel “Meine Erfahrungen mit dem M.Zuiko Digital ED 150-400mm F4.5” vom 17. November 2020 erwähnt. Nur die Stellen, bei denen es für die Stabilität notwenig war wurde Aluminium verwendet. Das Gehäuse bestand also schon seit Anfang an aus Kunststoff. Wenn überhaupt wurde vielleicht die Kunststoffart angepasst, ich frage mich nur weshalb das geschehen sollte.
Diskussion im Forum
Das Statement von OM Digitalsolutions wird im Forum ausführlich interpretiert und da nicht eindeutig geschrieben wurde, dass beide Varianten identisch in Aufbau sind wird auch munter spekuliert. Auch ich denke es hat einen Grund weshalb OM Digitalsolutions eine weichere Formulierung gewählt hat. Aber sicherlich nicht, weil sie das Objektiv grundsätzlich überarbeitet haben um mehr Marge zu machen und die Kunden hinters Licht führen wollen. Es ist vielmehr ein relativ normaler Vorgang dass bei Geräten während des Lebenszyklus das Eine oder Andere Element ausgetauscht werden muss weil der Hersteller es abgekündigt hat. Ich meine hier Elektronikkomponenten die zur Steuerung des Objektives notwendig sind. Diese werden allerdings meist mit gleichwertigen Komponenten ersetzt. Deshalb ist es durchaus möglich, dass die Hardware nicht mehr identisch ist.
Fazit
Ich denke es wird hier viel heiße Luft produziert um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Firmen wie OM Digitalsolutions gravierende Änderungen an einem Produkt vornehmen ohne diese zu kommunizieren. Selbst kleine Änderungen wie die beim 12-40mm Mark II das eine wurden sogar im Namen kenntlich gemacht.
Pingback: Was geht denn bei OM System ab? - Michael Guthmann