Ich habe neulich den, sehr empfehlenswerten, Podcast Plauderecke Folge 173 angehört. In der Folge wird über sehr viel gesprochen, aber bei dem Thema Brennweite dachte ich mir da muss ich mal einen Blogbeitrag schreiben. Es ging drüber das sich die Brennweite unterschiedlich anfühlt, obwohl auf dem Objektiv dieselbe Brennweite steht. Wenn ich mich recht erinnere, ging es dabei um ein Objektiv mit 35mm, das in Wirklichkeit keine 35mm Brennweite hatte sondern nur 32mm. Parallel habe ich auf dem Fotogipfel Oberstdorf einen Workshop gegeben und immer wieder erwähnt, dass in der Fotografie auf der einen Seite Fotografie Parameter genau mit Nachkommastelle angegeben werden, auf der anderen Seite es aber dann doch nicht so genau genommen wird. Wie sieht es also mit Toleranzen in der Fotografie aus und müssen wir uns Sorgen machen wenn die Angaben nicht zu 100% mit der Realität übereinstimmen.
Brennweiten: Wenn 35mm eigentlich 32mm bedeutet
Beginnen wir mit dem Thema Brennweite. Die Marketing Abteilungen lieben klare und eindeutige Aussagen. Deshalb werden Brennweiten wie 24mm, 35mm oder 85mm kommuniziert, obwohl die tatsächliche Brennweite des Objektives eine andere ist. Dadurch werden Objektive die in der Realität eigentlich ein 32mm Objektiv sind, mit der Brennweite von 35mm beworben. Das erklärt auch weshalb die Teilnehmer im Podcast einen anderen Ausschnitt aufgenommen haben, als is durch langjährige Erfahrung mit einem 35mm Objektive erwartet haben.

Weshalb passiert so etwas?
Die Gründe sind vielfältig. Zum Einen ist da die Fertigungstoleranz. Moderne Objektive bestehen aus vielen Linsenelementen. Es summieren sich kleine Abweichungen. Will man eine genaue Brennweite erreichen, kann das zu höheren Entwicklungszeiten oder Preisen führen und der Großteil der Anwender wird den Unterschied sowieso nicht wahrnehmen. Oft wird deshalb die Brennweite für das Marketing gerundet. Hinzu kommt, dass die Brennweite genau genommen nur für eine Fokussierung auf Unendlich stimmt. Fokussierst du auf einen näheren Punkt kann die Brennweite eine andere sein. Die Toleranzen bei Konsumerobjektive können diese Abweichungen von +-2-8% betragen. Es gibt aber auch Beispiel für eine bewußt ehrliche Angabe. Das Canon EF-M 32mm F1.4 ist hierfür ein gutes Beispiel. Da es sich um ein APS-C Objektiv handelt, ist es mit 32mm und einem Kleinbildequivalant von 51,2mm dem Normalobjektiv näher als es ein 35mm Objektiv wäre.
Verschlusszeiten und Blenden: Auch hier stimmt nicht alles
Nicht nur bei Brennweiten gibt es Toleranzen. Auch Verschlusszeiten und Blenden unterliegen mehr oder weniger hohen Toleranzen. Schon während meines Studiums habe ich bei Messungen von Verschlusszeiten diese Toleranzen selbst festgestellt. Je nach Qualität der Verschlüsse können Abweichungen bis zu 25% bestehen. Diese Toleranz wird vor allem dann relevant wenn man viele Bilder mit einer konstanten Belichtung erstellen muss. Im normalen Fotoalltag fallen dies allerdings nur selten auf.

Die Blende in der Fotografie ist einfach das Verhältnis von Eintrittspupille (einfach gesagt der Durchmesser) zur Brennweite. Die kann berechnet werden. Ein Blende F1.4 für das eine Objektiv lässt nicht unbedingt dieselbe Lichtmenge durch wie ein anderes Objektiv mit der Blende F1.4. Die Menge an Licht die durch ein Objektiv kommt, hängt nämlich auch an den verwendeten Linsenelementen und deren Beschichtung ab. Deshalb gibt es auch die sogenannt T Nummer, die nicht auf der Berechnung basiert sondern auf einer tatsächlichen Messung. So hat das Sigma 105mm F2.8 eine T Wert von 3.4. Das ist über 50% weniger Licht, dass auf dem Sensor ankommt. Die Unterschiede fallen in der Fotografie aber nur selten auf. Das liegt an der automatischen Belichtungsmessung, die ja automatisch die Belichtung basierend auf der gemessenen Lichtmenge berechnet. Am ehesten fällt das auf wenn man unter kontrollierten Lichtverhältnissen mit Objektiven mit demselben F Wert verwendet aber unterschiedliche Belichtungswerte erhält.
Fazit
Die Werte in der Fotografie sind nicht so präzise wie sie scheinen. Allerdings hat das in der normalen Fotografie nur geringe Auswirkungen und der “normale” Fotograf wird dies nur selten wahrnehmen. Relevant wird es wenn du in einem Bereich der höchste Präzision erfordert fotografierst, oder du gleiche Objektivbrennweiten von verschiedenen Herstellern verwendest.
Sind dir persönlich schon einmal Toleranzen aufgefallen? Wenn ja in welcher Situation? Ich freue mich wenn du deine Erfahrungen in den Kommentaren teilst.